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Expeditiontagebuch Spitzbergen

Kurs auf Kiel, 20. und 21.07.05

Abschied und Ausblick
Wir schlängeln uns entlang der Tonnen und in der Dämmerung von Richtfeuern geleitet der Stadt Faaborg entgegen durch den Svendborgsund. Der Abend ist ruhig und bedeckt. Zwischendurch besucht uns ein „kleiner“ Regenschauer, wie von DP07 Seefunk bereits angekündigt. Ja, mit dem Empfang der Wettervorhersagen von vertrauter Stimme im heimischen UKW-Bereich rückt das Ende der Reise sehr nahe. Wir überlegen, wer von der Crew wie nach Hause kommt. Gemessen an Spitzbergen, Björnöya und den Lofoten, kommt mir die Küste hier direkt langweilig vor. Gemischte Gefühle. Für mich sollten drei Monate auf See ja erstmal wieder genügen. Das sollte man meinen, andererseits ist es schwer für mich mir vorzustellen das Schiff, das jetzt diese lange Zeit auch ein Zuhause war, zu verlassen. Zurück in die Stadt, in die enge Wohnung, mh. Ist das überhaupt auszuhalten? Da denke ich doch lieber über die nächste Reise nach. Schon machen sich meine Gedanken selbstständig und segeln aufs Wasser. Es hat schon was das große, unberechenbare und so faszinierende Meer. Natur- und Urgewalt. Die Wurzeln des Seins liegen dort draussen ungeschützt an der Oberfläche, keine Chance zur Flucht, man muß sich den Bedingungen stellen, und vor allem sich selbst. Ich lerne, erfahre und wachse jedesmal, wenn ich auf dem Wasser bin. Da spreche ich, glaube ich, nicht nur für mich. Tordas fährt, während ich mit meinen Gedanken in der Ferne bin, gemächlich dahin .
„Wo ist die kubanische Gastlandflagge?“ höre ich vom Steuerstand her. Total vergessen, aber bei der Hitze hier kann niemand mehr klar denken. Weißer Rum, exotische Früchte, es riecht nach den kräftigen Havannas und im Hafen gegenüber unserem Liegeplatz hocken drei ältere Herren im T-Shirt und mit Flip Flaps an den Füssen vor der offenen, niedrigen Tür. Ich schaue in entspannte Gesichter, in denen ihre ganz eigene Geschichte geschrieben steht. Erstaunt blicken wir uns um und und sind wie gebannt von einem komplett anderen Lebenspuls in den Strassen. Offen werden wir angelächelt und freundlich empfangen. Nicht wie in unserem stocksteifen Deutschland, wo man als Neuankömmling verstohlen gemustert wird und wo der eigene Gruß, wenn überhaupt, nur mit kurzem in-den-Bart-Gemurmel, erwidert wird. „Mach doch mal einen Punkt in die Karte“, tönt es vom Steuerstand. Ein schneller Blick aufs GPS 54°51,2 N; 10°12,1 W und die Seekarte S1 zeigt, – Moment mal – die Kieler Bucht. Tja, wir sind wohl doch nicht nach Kuba abgebogen…
Als wir dann in der Realität und in Kiel angekommen sind, ist die Stimmung etwas gedrückt und der Whisky zum Abschluß schmeckt irgendwie fad. Am nächsten Morgen heißt es „klar Schiff“ machen und sich nach und nach von lieben Menschen verabschieden. Wir hoffen sehr, dass es allen Spaß gemacht hat und jeder seine Erlebnisse von Bord mit nach Hause nehmen kann. Wir haben jetzt noch eine Menge zu tun. Unter anderem wollen die zig Bilder sortiert werden, die später in einen umfassenden Törnbericht einfliessen.
Ja, und dann kommt die Vorbereitung für den nächsten Törn.
Wohin es geht? Vielleicht Schottland, vielleicht Norwegen, vielleicht Schweden, viellleicht eine Kombination von allem. Kuba wird es wohl nicht sein. Der Törnplan ist in Kürze auf der Website zu finden, versprochen. Vielleicht seid ihr ja nächstes Jahr dabei?!
Jetzt fährt Tordas erst mal ein paar Wochen auf der Ostsee, später auf der Elbe und steht auch wieder für Ausbildung und Fortbildung zur Verfügung. Gezeitensegeln, Radarfahrten, aber auch mal einfach nur ein Wochenende bis Helgoland und zurück stehen im Angebot. Wer dazu Lust hat, meldet sich einfach bei uns.
Das besondere dieser Reise?
Oft wurde ich gefragt, meistens von Journalisten, was denn nun das Besondere dieser Reise sei? Klar, eine Segelreise nach Spitzbergen ist heute keine Schlagzeile mehr wert. Es muss schon etwas Extremeres sein, z.B. Eisberg gerammt, Ruderblatt verloren, gekentert oder was sich andere sonst noch einfallen lassen um Presseaufmerksamkeit zu erregen. Ehrlich gesagt finde ich es nicht besonders mit einem freistehenden Ruder in der Barentsee rumzukurven und sich zu wundern, dass es abfällt, wenn man einen Eisbrocken trifft. Fahrlässigkeit gibt es allerorten.
Ganz besonders, – und ganz besonders dreist -, finde ich es dann schon, wenn die Yacht von diesen Heldentaten berichtet und von gut ausgerüstet und erfahren spricht, wo doch noch nicht einmal das für dieses Seegebiet unerlässliche Grenz – Kurzwellenfunkgerät an Bord ist. Wen erreicht man denn dort oben mit UKW? Da kann man wohl schon von besonderem Glück sprechen, dass ein russischer Fischer in der Nähe war.
Bei all diesen Schlagzeilen wird mir immer deutlicher was das Besondere an unserer Reise war und ist.
Wir sind gut ausgerüstet und vorbereitet mit einem geeigneten Schiff und erfahrener Crew aufgebrochen. Wir haben uns keinen unnötigen Risiken ausgesetzt, hatten jederzeit mindestens einen Alternativplan und haben immer nach dem Prinzip safety first entschieden. Während der 5200 Seemeilen auf Nordsee, Nordatlantik und Arktischem Ozean haben wir eine Pütz versenkt und unser Navtex hat aus unbekannten Gründen den Geist aufgegeben. Kein Problem, denn alle wichtigen Ausrüstungsgegenstände und Navigationsgeräte sind doppelt vorhanden. Selbst der Motor hat zwei Anlasser.
Ich segle schon sehr lange und habe schon so viele Stürme ( und Thekenstürme ) erlebt, dass ich es mir leiste bei mehr als sechs angesagten Beaufort im Hafen zu bleiben. Wir müssen keinem etwas beweisen, auch uns selbst nicht. Trotzdem erwischt uns oft genug schlechtes Wetter. Bei Seeetappen im Nordatlantik ist dies leider nicht immer zu vermeiden. Aber auch dafür sind wir bestens gerüstet. Wir sind nicht immer die schnellsten, aber wenn es die Situation erfordert und wir mal bei acht Bft und ordentlich Seegang gegenan müssen, dann gibt es nicht viele „Rennziegen“ die uns folgen können. (Da ich aus eigener Erfahrung weiß, wie ungemütlich moderne „Cruiser-Racer“ bei diesen Bedingungen segeln, – so sie es überhaupt noch können-, bin ich bei solchen Bedingungen besonders froh bei Tordas an Bord zu sein.)
Wir sind beileibe nicht die einzigen, die so segeln. Es soll sogar andere Schiffe geben, die Seehandbücher, Leuchtfeuerverzeichnisse, Gezeitentafeln, Stromatlanten und eine List of Radio Signals an Bord haben. Und sicher haben auch einige das Handbuch für Brücke und Kartenhaus an Bord, – allein ich hab noch keinen getroffen. Schade eigentlich!
Aber wer weiß, vielleicht wäre unsere Reise sonst gar nicht so besonders?
Doch, ganz sicherlich! – Sie war ganz besonders schön und sie hat besonders viel Spass gemacht! Wir haben besonders sonderbare Dinge erlebt und sind mit ganz besonderen Menschen gesegelt. – Bei diesen bedanke ich mich jetzt und hier ganz besonders. Es war klasse mit euch und nicht eine Stunde will ich missen. Und auch in Zukunft will ich mit euch segeln, mit euch allen, auch mit jenen die jetzt diese Zeilen lesen und nächstes Mal live dabei sein wollen, wenn wir zu neuen Ufern und Abenteuern aufbrechen,
– dahin, wo andere nie hinkommen!
bis bald, ich freu mich auf euch!

Jogi

Vielleicht erscheint euch so manches neben Sicherheit und guter Seemann(frau)schaft besonders verrückt, spontan, chaotisch, ein bisschen gesponnen und phantasiert, wenn ihr euch durchs Logbuch gelesen habt. Gut so. Denn gerade daraus webt sich das Leben zusammen und das Leben in den letzten drei Monaten an Bord habe ich eben so sehr genossen.
Erlebt es selbst und kommt mit!

Elke

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