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Expeditiontagebuch Spitzbergen

Karte Spitzbergen„Auch wenn ich ein ruheloser Vagabund bin, ständig auf der Flucht vor mir und auf der Suche nach neuen Abenteuern, so ruhen meine Gedanken doch immer bei euch, die Ihr zu Hause seid. Ihr gebt mir Kraft, Sicherheit, Trost, Liebe, Kritik oder Bestätigung. Aus dieser Quelle schöpfe ich den Mut zu meinen Reisen. Ihr seid meine Heimat. Danke! “
(freie Übersetzung nach Kaptain Joe Isbjörn 1693 – ?)

Logbuch Expedition Spitzbergen 2005

19.04.05 Hamburg

Checklisten, Bestellungen, Einkauflisten, Schreibblöcke und Zettel mit Unerledigtem, Absprachen, unendliche Maillisten, Genehmigungen, Anträge. Alles türmt sich irgendwo auf meinem Schreibtisch.
Die heisse Phase der Vorbereitung hat begonnen und aus einem chaotischen Haufen von losen Garnen beginnt sich langsam eine Sorgleine zu bilden, die uns auf diesem Törn begleiten wird. Nach dem Werftaufenthalt im März, bei dem u.a. der Bug eisverstärkt und ein neues Echolot eingebaut wurde, ging es Schlag auf Schlag weiter und noch immer sind viele Sachen zu erledigen.

Für diesen Törn wurde die ohnehin reichhaltige Ausrüstung um viele größere Anschaffungen ergänzt:
Eine reffbare Fock, ein Schlauchboot mit Motor, eine digitale Kamera, zusätzliche Überlebensanzüge, ein Waffenschrank mit Inhalt, 10g Seekarten und Seehandbücher, neue Spezialakkus…. Nicht, dass ihr denkt, ich hätte die Dinge verschleppt, seit Oktober dreht sich alles nur um eins: Spitzbergen!

So eine Reise erfordert einfach wesentlich mehr Vorbereitung als z.B. ein Törn nach Shetland oder Orkney. Auch wenn wir als Segelprofis eine sehr routinierte Vorgehensweise haben – eine solche Expedition ist etwas Besonderes! Reisen in diese extremen Breiten werden ja nicht umsonst jahrelang geplant. Wir hatten ganze sechs Monate Vorlaufzeit!

Es fing auch, wie alle echten Abenteuer, ganz harmlos an. An einem schönen Sommerabend im Juli 2004 kamen Freunde aus Berlin für einen Wochenendtrip nach Rügen an Bord der Tordas. Wir verbrachten einen schönen Abend in Wieck am Greifswalder Bodden und bei einem gemütlichen Glas Whisky nach dem Essen erzählte einer von den Wilts und ihrem Buch „Gefangen in der weißen Hölle“, welches er sich aus unserer Bordbücherei entliehen hatte. Vom Südpol diskutierten wir uns zum Nordpol hoch. Spät in der Nacht kam die Frage auf, wohin denn der Tordas- Sommertörn nächstes Jahr gehen würde? Ich sagte ehrlicherweise, dass ich noch keine Ahnung hätte, als einer in die Runde rief: “ Wie wär’s denn mit Spitzbergen?“
Natürlich wiegelte ich sofort ab, weil mir klar war, dass das eine Schnapsidee ist. Zu weit, zu lang, zu teuer und überhaupt, wer ist so bescheuert und segelt im Sommer ins ewige Eis? Ist der Winter nicht schon lang genug?
So war alles schnell wieder vergessen und die Zeit ging ins Land.

Im September, ich wusste immer noch nicht wohin die Reise 2005 gehen sollte, fragte mich mein Freund Renke von der nordischen Segelschule, was denn nun geplant sei? So langsam musste ja der Törnplan festgelegt werden, auch um die Termine für die Radarfahrten, das Skippertraining, Schwerwettertraining, die Gezeitenausbildungstörns und was weiß ich alles zu organisieren. Tja, wie gesagt, ich hatte keine wirkliche Idee, aber um erst mal Ruhe zum Nachdenken zu haben sagte ich einfach „vielleicht Spitzbergen“. Allgemeine Ruhe im Raum. Dann fielen die alles entscheidenden Worte:“ DAS SCHAFFST DU NIE, völliger Blödsinn! Niemals in dieser kurzen Zeit! Die „Dingens“ mit Ihren vielen Helfern bereiten Ihren Törn schon zwei Jahre vor, und haben noch sooo viel zu tun! Du hast ja keine Ahnung, was für ein Aufwand das ist, da kann man nicht so einfach hinsegeln, das rechnet sich nie!“

Da saß der Stachel im Fleisch! Das schaffst du nie! Von wegen, das wollen wir doch mal sehen! Schließlich bin ich Spezialist für „Dahin wo andere nie hinkommen“. Das wäre ja gelacht! Und muss sich immer alles rechnen? Gibt es nicht auch andere Werte? Muss man nicht einfach ab und zu etwas Verrücktes unternehmen? Merkt man nicht gerade dann, wenn man „Unvernünftiges“ tut, wie wunderbar das Leben in dieser Welt ist?

Nach einer Woche Recherchen war alles klar – das schaffe ich nie! Bürokratie, Sachkundeschulungen für Waffen, Waffenbesitzkarte beantragen, Sondergenehmigungen, um Gebiete zu betreten, in denen die eigenen Fußspuren noch zu sehen sein werden, wenn man selbst schon längst zu Staub zerfallen ist – falls man nicht vor Ort vom Frost konserviert wird. Alles Dinge, mit denen sich Segler sonst nicht herumschlagen müssen. Und alles Dinge, die viel, viel Zeit in Anspruch nehmen! Und die hatten wir ja eben nicht. Die ganze „Waffengeschichte“ hat letztendlich nur durch die Hilfestellung und wirklich einmalig schnelle Bearbeitung der Ordnungsbehörde in Husum geklappt. Aber Glück gehört eben auch zu einer gelungenen Seereise.
Jetzt fühle ich mich ausgepowert, aber in zehn Tagen geht’s los, die Eissituation ist gut und die Vorfreude wächst – der Lohn der Mühen rückt in Sichtweite. Endlich!

Jogi

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