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Expeditiontagebuch Spitzbergen

Nusfjord, der 05.07.05

Gestern Abend machten wir in Kabelvag fest. Die alte Stadt Vagan soll schon vor tausend Jahren hier gelegen haben. Es war damals die einzige Stadt nördlich des Polarkreises. Während eines Stadtbummels schauen wir uns die schönen Holzhäuser und die eine oder andere historische Stätte an. An unserem Anleger steht wieder eine Scheune, diesmal mit uriger Kneipe drin. Dort lassen wir den Abend bei einem Isbjörn Bier vom Fass ausklingen.
Wohlausgeruht kaufen wir am Morgen frische Brötchen ein, gefrühstückt wird im Cockpit. Um 11.00 brechen wir auf. In totaler Flaute und lähmender Hitze motoren wir zum Nusfjord. Gestern hab ich mir einen Sonnenbrand auf Armen und Schultern geholt. Was heisst hier eigentlich „nördlich des Polarkreises“? Heute abend um 19.00 Uhr, nachdem die Sonne schon zwei Stunden hinter einer 937 Meter hohen Felswand verschwunden war, lese ich noch 26°C Lufttemperatur am Thermometer ab. Das klare Wasser hat 18°C. Können da Nord- und Ostsee schon mithalten?
Der Nusfjord ist ein kleiner enger Fjord gesäumt von hohen Bergen aus massivem Granit. Die Ortschaft besteht aus ein paar Häusern und Fischerhütten, den sogenannten Rorbua. Alles sieht so aus wie vor hundert Jahren, ein Postkartenidyll. In dem winzigen Hafen liegt Tordas. Gegenüber, fünfzehn Meter weg, begrenzt eine ebenso hohe Felswand das Becken. Dennoch laufen die langen Dünungswellen, die überall von den Fjordwänden reflektiert werden in den schmalen, tiefen Felseinschnitt. Tordas hebt und senkt sich sanft und schwoit dabei an seinen Festmachern hin und her. Der Tidenhub beträgt hier ungefähr zwei Meter. Als sich abends ein Bus deutscher Touristen über den Ort ergiesst tauchen wir ab.
Pressluftflaschen, Anzüge, Flossen und Ausrüstung werden überprüft und angelegt, es macht platsch, ein letzter Check und wir sind in einer anderen Welt. Seeanemonen, Weichkorallen (tja, die gibt’s hier auch und nicht wenige davon!), Seesterne, Krebse, Seeigel, Fische, – es wimmelt nur so von Leben. Bei gut zehn Metern Sichtweite fühle ich mich an meine Kindheit und die Filme von Hans Hass und Jaque Custeau erinnert. Es ist zwar schon halb acht, aber auch unter Wasser noch hell genug um die ganze Farbenpracht zu geniessen. Selbst hier unten ist das Wasser erstaunlich warm, der Norwegische Strom lässt grüssen. Was, den kennt ihr nicht? Das ist der, der als Floridastrom seine Reise beginnt, dann zum Golfstrom wird, dieser erreicht jedoch unter diesem Namen nie Europa, er heisst hier schon seit tausenden von Seemeilen Norostatlantischer Strom und hier oben eben Norwegischer Strom. Nach dem Tauchgang reinigen wir noch das Unterwasserschiff. Wie schon erwähnt segeln wir seit langem ohne Antifouling. Nebenbei sei bemerkt, dass die bei uns angebotenen „Giftfreien Antifoulings“ immerhin so schädlich sind, dass die meisten davon in Schweden verboten wurden. Es ist halt nur ein anderes Gift drin, Wunder gibt es nur auf dem Papier!
Da Tordas immer in Bewegung ist, sieht sein Unterwasserschiff besser aus als das von manchem Hafenlieger. Aber wozu brauchen die eigentlich Antifouling? Die segeln doch eh nur ein paar Meilen im Jahr, da stören die paar Algen und Seepocken doch auch nicht mehr. oder?
Das Vorschiff ist noch „Ice cleaned“ von Spitzbergen, aber am Heck ist ein zwei Zentimeter langer Algenbart, und den schrubben wir runter. Nicht eine Muschel sitzt am Boot! Nach insgesamt zwei Stunden sind die Flaschen leer und wir krabbeln an Bord.
Nach dem Umziehen brechen wir sofort auf, es ist noch ein langer Weg nach Trondheim und der Wetterdienst telext uns schwache Winde.

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