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Expeditiontagebuch Spitzbergen

Kjerstad, der 04.07.05

Kjerstad liegt in dem Tjeldsund, der die Lofoten vom Festland trennt. Das geschwungene Fahrwasser führt durch eine Eisenbahnlandschaft aus dem Bilderbuch. Spitze Berge, steile Schluchten wechseln mit runden Hügeln und weiten Tälern in denen malerisch verteilt einzelne Bauerngehöfte und winzige Ortschaften liegen. Die Sonne scheint und alles leuchtet in satten Farben. Am Eingang eines kleinen Fjords, der von einer Hängebrücke überspannt wird steht eine Holzscheune mit einem Anleger, dort legen wir an. In der Scheune ist ein „Kiosk“, das ist ein kleiner Stand an dem man „Vaffel og Kaffee“ bekommt. Diese Kioske werden von Kindern und nur in den Schulferien betrieben. Dies ist sozusagen fester Bestandteil der Kindererziehung in Norwegen und Schweden. Das geht hier alles ohne Gesundheitsausweis, Schankgenehmigung, Gewerbeanmeldung usw. Komischerweise ist noch kein Norweger daran gestorben. Selbst die Kinderarbeit scheint die zehn- bis zwölfjährigen nicht zu traumatisieren. Beim Anlegen werden wir gefragt wie gross die Crew ist und zehn Minuten später reicht man uns einen Teller mit Marmelade bestrichenen Waffeln als Willkommensgruss.
Manchmal schäme ich mich bei dem Gedanken, wie wir mit ausländischen Gästen in unseren Häfen umgehen. Was sind wir doch für armselige Würstchen.
Wir haben unterwegs gekocht und als die Leinen fest sind essen wir im Cockpit mit Blick auf Fjord und Sund. Zum Nachtisch verdrücken wir mit Hochgenuss unsere Waffeln. Anschliessend drehen wir noch eine Hunderunde. Am Wegrand begleitet uns ein Blütenmeer. Auf der Hängebrücke bleiben wir stehen. Lange schauen wir in das klare Wasser, das von der Flut in Stromschnellen durch die Engstelle in den Fjord gedrückt wird. Es ist inzwischen 22.00 Uhr, aber die Sonne heizt uns noch so ein, dass wir den Tag mit einem Bad am Strand ausklingen lassen. Auch Bordhund Sheila geniesst das frische Kühl.
Um 06.00 klingelt der Wecker! Aufstehen, der Berg ruft! Raus aus den Kojen, die Wasserflasche und die Kameras eingepackt und los geht’s. Noch am Abend beschlossen wir den Hausberg zu erklimmen. Erst laufen wir ein Stück die einspurige Strasse entlang, dann biegen wir ab. Eine sumpfige Wollgrasswiese muss überquert werden. Auf der anderen Seite beginnt der Aufstieg. Rundgeschliffene Granitfelsen von Krüppelkiefern, Flechten und Beeren bewachsen, führen bis auf ca. 600 Meter Höhe. Es ist höllisch heiss. Der Granit wird Rund um die Uhr in der Sonne gegrillt und kühlt nachts kein bisschen ab. Die Luft steht und Unmengen von Fliegen summen um uns herum. Von Zeit zu Zeit tun sich kleine Bergseen zwischen den Felsen auf, in denen sich Sheila Kühlung verschafft. Unten sah alles ganz easy aus, aber ich dachte es mir schon, es ist einer von diesen Bergen bei denen nach dem Gipfel, noch einer und noch einer und noch einer kommt. Oben ist es genau so heiss wie unten, selbst wenn man sich in einen Schneerest setzt schwitz man im T-Shirt. Der herrliche Ausblick entlohnt für alles. Hier ein Tal, da ein Tal, auf der anderen Seite ein Bergsee, hinter uns steile, schneebedeckte Berge, dort das Meer, tief unter uns Tordas, die Hängebrücke, ein schlangenartig gewundener Bach und die roten Dächer von schnuckeligen Hütten. Wir Ohhen und Ahhen, fotografieren, rasten und geniessen lange den Ausblick.
Unten macht der Kiosk auf, das ist unser Signal! Nix wie hin!
Der Abstieg ist beschwerlich, die Abkürzungen führen ins Aus, also wieder umdrehen und so weiter. Am Ende gehen wir doch den gleichen Weg zurück. Die Fliegen werden lästig, aber oh Wunder, je näher wir zum Schiff kommen desto weniger werden es. Am Kiosk sind alle weg und wir geniessen das Frühstück. „Is, Kaffee og Vaffler“. Noch ein kleines Bad hinterher zum Frischwerden und Leinen los!

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