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Expeditiontagebuch Spitzbergen

Auf See, der 27.06.05

Eis, Eis, Eis. Soweit das Auge reicht. Für uns ist es nicht gefährlich, wir fahren aussen an der Eiskante entlang. Die 565 Seemeilen Barentsee bis zur norwegischen Küste werden durch den weiten Umweg ums Eis mal eben zu rund 700 werden. Wir hatten gehofft eine kompakte Eiskante vorzufinden, aber die nordöstlichen Winde haben das Packeis am Rand zu einem Brei aus grossen und kleinen Eisbrocken zerweht. Mit langen Armen, gleich den Tentakeln einer riesigen Krake versucht uns das Eis immer wieder in sein inneres zu locken.
Folgt man diesen Eisausläufern gelangt man in immer enger werdende Fjorde deren Ränder aus locker gestreuten Eisschollen besteht. Am Ende ist kein „Fahrwasser“ mehr erkennbar, aber man kommt noch ganz gut ohne Berührung durch die immer grösseren Schollen. Dann erreicht man einen Punkt an dem ein schmales Band aus enggedrängten Eisbrocken den Weg zur nächsten Wasserrinne versperrt. Kein Problem, man kann sich leicht durch das kurze Stück drücken und weiter geht’s. Irgendwann ist vom Masttop aus keine Eisspalte mehr zu erkennen. Noch fährt das Schiff schubsend, stossend und drückend durchs Eis. Der Kurs wird immer öfter von Eisschollen bestimmt, die das Schiff in die eine oder andere Richtung drücken. Inzwischen sind viele Stunden vergangen, ein Wenden ist unmöglich geworden, die Eisschollen bestimmen den Weg: Zurück geht nicht, zu gross ist die Gefahr Ruderblatt und Schraube zu beschädigen. Das Krachen der Eisbrocken wird lauter unter ächzen beginnen sie sich übereinander zu schieben. Vom Wetterbericht erfährt man das der Wind gedreht hat und zunimmt. Der über Kurzwelle herbeigerufene Eisbrecher, dessen Einsatz in etwa soviel kostet wie eine neue Luxusyacht, könnte bei gutem Wetter in drei Tagen hier sein und dem nächsten SAR Hubschrauber fehlen 300 Seemeilen Reichweite um hierher zu fliegen. Langsam beginnen an Bord Diskussionen darüber, ob das mit der Abkürzung durchs Eis eine gute Idee war und in der Ferne erkennt man wie sich die Eisbären das Lätzchen umbinden.
Wir halten uns schön am Rand, den Kurs von Eisfingerkuppe zu Eisfingerkuppe. Dünung setzt ein, das offene Wasser kann nicht mehr weit sein. Im Masttop entdecke ich eine grosse rauchgraue Möwe die zwischen Topbeschlag und Windex geklemmt dasitzt. Das hat noch kein anderer Vogel geschafft. Trotz des beachtlichen Geschaukels sitzt sie ganz ruhig dort oben und schaut mir in die Augen. Ich schlage im Seevogellexikon nach wer dieser möwenartige Vogel wohl sein mag. Da, ich hab’s gefunden!
Der Name ist: Eissturmvogel!
Was, was will uns der Dichter damit sagen?

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