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Expeditiontagebuch Spitzbergen

Tordenskjöldbukta, der 23.06.05

Eigentlich sollte das ja mal „Tordas Gold Bucht“ heissen, aber durch einen Übersetzungsfehler wurde dann Tordenskjöld draus. Wie selbstverständlich jeder weiss war dies ein berühmter Skandinavischer Admiral (oder irgendsowas, ich war damals im Unterricht gerade (wie so oft) Kreide holen). Im Norden wird die Bucht durch den Kanonenodden, im Süden durch den Marstalodden begrenzt. Oh Marstal, liebliche Stadt im Süden Aerös. Das Schifffahrtsmuseum dort würde hier sicher das eine oder andere Wertvolle Ausstellungsstück am Strand finden. Zur Abwechslung besteht das Land hier aus einer weiten, flachen, moosbewachsenen Ebene dem „Daudmannsland“.
Als wir den steilen Strandwall erklommen haben sehen wir sie: Rentiere, Rentiere, Rentiere. Die müssen sich wirklich rentieren. Für unseren „ichbeschützeuchvordembösenBärBordHund“ Sheila ist das zuviel. Sie rent hier hinter dem nächstbesten Rentier her, da gibt’s kein Halten mehr. das Rentier trabt lustig voran, dreht sich ab und zu um, schaut ob der Hund auch hinterher rent, nimmt einen Bissen Moos und weiter geht’s. Nach ungefähr zehn Minuten haben die Zwei, immer im Zickzack zwischen den anderen Rentieren herlaufend, den Horizont erreicht. Auf mein Rufen und Schreien kommen alle Rentiere von nah und fern angelaufen – nur der Hund nicht. Als die Rentiere bis auf zehn Meter ran gerent sind, fange ich an mir Gedanken zu machen was ich wohl tue, wenn sie mit ihren prächtigen Geweihen angreifen? Ich hab da so meine Erfahrung mit Ziegen und Schafsböcken, und das hier sind viele und auf ganz Spitzbergen gibt’s keinen Baum und was wenn sie mich für einen Eisbären halten? Soll ich Rot schiessen? Oh Gott! Augen zu und … uff sie sind stehengeblieben. Kurz bevor ich zum Gegenangriff übergegangen wäre! Na, die haben nochmal Glück gehabt!
Nur der Hund bleibt verschwunden. Es ist zwar eine Ebene und man denkt es sei sehr übersichtlich, aber in den Bodenfalten die man erst in zehn Metern Entfernung wahrnimmt und zwischen den sanften Hügeln kann man ganze Elefantenherden, quatsch, Eisbärenhorden verstecken. So wandern wir zwischen unzählig herumliegenden Rentiergeweihen und den Rentieren selbst, die auch von Ferne herbeieilen, sobald ich den Hund rufe, von Hügel zu Hügel, bis wir das Meer auf der anderen Seite sehen. Aber was ist das? Eis soweit das Auge reicht. Der ganze Isfjord liegt unter einem dichten Packeisgürtel. Oje, da müssen wir nachher durch.
In der Hoffnung Sheila sei bestimmt schon wieder am Schlauchboot kehren wir um. Nach zwei Stunden sind wir am Strand, vom Hund keine Spur. Wir überlegen. Jemand fährt zum Boot, die Bordwache informieren. Ich bleibe am Strand und stöbere durch die Überreste von? Na, habt ihr’s erraten? Ja, wie wunderlich, einer alten Walfangstation.
Die Rentiere sind wie vom Erdboden verschluckt. Nicht eines ist mehr zu sehen. Ich frage mich warum und wohin sie so plötzlich verschwunden sind. Eisbär denke ich, und schaue mich vorsichtig um.
War da was? Ich schaue durchs Fernglas. Am Horizont bewegt sich was! Ich kann es nicht erkennen. Weg. Täusche ich mich? Da ist es wieder! – Sheila! Ich rufe, schreie, winke wild mit den Armen. Endlich, sie bleibt stehen schaut in meine Richtung, zögert, wittert, dann rennt sie los. Erlösung! Ich sah mich schon tagelang am Strand zelten, Hund suchen. Das Land ist weit. Grösser als Holland und Belgien zusammen, ca. 2000 Einwohner insgesamt, fast alle in Barentsburg, Longyearbyen und Ny Alesund und 3 bis 5tausend Eisbären. Die Rentiere hat wohl noch keiner gezählt.
Jetzt ist sie bei mir, mit hängender Zunge. Erst Begrüssung, dann Moralpredigt. Wir einigen uns darauf, dass es ab morgen wieder Dosen mit Rentier gibt, statt den verhassten Igittigitt Seefischdosen. Dafür keine Sondertouren mehr ohne Genehmigung!
Ich gebe einen Schuss ab, kurz darauf erscheint jemand an Deck von Tordas. Zehn Minuten später werden wir vom Schlauchboot abgeholt.

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