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Expeditiontagebuch Spitzbergen

Packeis, der 17.06 05

Das Schlauchboot fest an Deck verzurrt segeln wir? na klar, nach Norden! Unser Ziel ist der „Arctische Kontinent“ Packeis von der fast doppelten Fläche Europas. Bei 80°37´Nord treffen wir aufs Eis, bei 80°39´ist schluss mit lustig. Weiter geht’s nicht um diese Jahreszeit. Immer wieder ragen hohe Pressschollen über die hier ein bis zwei Meter Dicke Eisschicht heraus. In unendlich vielen bizarren Formen der Schollen sieht man eine andere Welt. Es wimmelt nur so von Trollen, Nessies, Sauriern, Einhörnern, Walen, und ich weiss nicht was noch die natürliche Eisbildhauerwerstatt Arctis hier geschaffen hat. Wir trinken ein Glas Champagner auf einer Scholle, an deren Kante Tordas beharrlich reibt. Das mehrjährige Eis ist verdammt hart und scharfkantig. Tordas fährt seit zehn Jahren ohne Antifouling. Das Resultat ist Erstaunlich! Teilweise haben wir ohne Putzen weniger Bewuchs als andere mit Antifouling. Allerdings muss man zugeben in der Ostsee zwischen Flensburg und Lübeck sind die Seepocken furchtbar. Dagegen ist in der Nordsee für mein Empfinden Antifouling total überflüssig, auch ohne Unterwasserschiff schrubben. Bei unseren Eisfahrten hinterlassen wir also keine Giftfahne im Kielwasser. Im Gegensatz zu Antifouling das schon nach wenigen Schollen vom Rumpf gekratzt wäre, sieht unser Unterwasserschiff wie frischpoliert aus. Die Vinyllackschichten werden aber auch nicht dicker davon. Aber es gibt ja jedes Jahr ein Schlag Farbe drauf und diesmal entfällt wohl das vorherige ( giftfreie weil kein Antifouling) Schleifen.
Nach drei Stunden im Eis haben wir noch lange nicht genug, man kann seine Gedanken ewig übers Eis gleiten lassen, aber wir müssen trotzdem weiter, bevor uns das Eis in seinen Bann und das Schiff in seine Gewalt gebracht hat.
Aber noch haben wie den Wendepunkt der Reise nicht erreicht.
Kurs Südost, am Horizont Nordaustlandet, die Hinlopenstrasse, die noch bis zum Rand voller Eis ist, der Wijdefjorden und Moffen. Diese atollartige fast runde, flache Insel mit ihrer Lagune ist einer der letzten Rückzugsorte der Walrosse. Sie darf deshalb im Frühling und Sommer nicht betreten werden.
Wir segeln weiter in den Woodfjord. Ein riesiger Eisberg glänzt metallikblau, nein völliger Blödsinn, eisbergblau in der unter den Wolken hervorscheinenden Sonne. Am Horizont rundum spitzgezackte hohe Berge, umflossen von unzähligen Gletschern. Mitten im Fjord stossen wir auf zwei Minkwale und eine Riesenpulk Dreizehenmöwen, die allesamt hinter einer grossen Wolke Krill her sind. Wir lassen uns inmitten des Spektakels treiben. Die Möwen machen ein Höllengezeter. Sie konzentrieren sich dichtgedrängt auf Kreise mit vielleicht anderthalb Meter Durchmesser an denen das Wasser zu kochen scheint. Der Krill schillert im glasklaren Wasser. Derweil ziehen die Wale elegant ihre Bahnen und übertönen mit dem Blass sogar die Möwen. Anfangs respektvoll Distanz haltend, kommen die ca. acht bis zehn Meter langen Tiere mit der Zeit neugierig bis auf eine Schiffslänge ans Boot, um kurz darauf gelangweilt davonzuziehen. Jetzt haben wir, nach einem Wechsel der Kassette (verdammt wo ist bloss die andere ???) und dem nur etwa zehn Minuten dauernden Zurückspulen derselben, worauf dann auch der Akku leer war und ebenfalls ausgetauscht werden durfte, die Videokamera in Anschlag. Die Aufnahmen zeigen ein phantastisch blauen Fjord und die fast perfekte Wasserlinie wird nur durch zwei winzige, mikroskopisch kleine Punkte ( den Walen ) gestört. Aber so ist es halt. Die wirklich grossen Dinge im Leben kann man nur live erleben. Da müsst ihr halt schon mitkommen.

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