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Expeditiontagebuch Spitzbergen

78°16´Nord, 014°00´East, 09.06.05

Seit Tagen begleiten uns die sphärischen Klänge des Eises und der Gletscher. Ein paar Gänse und Enten lassen von Zeit zu Zeit ihr Geschnatter über das von Eisbrocken bedeckte Wasser erschallen. Der teilweise bedeckte, endlos erscheinende Himmel macht das Bild perfekt.
Gestern abend segelte das Kreuzfahrtschiff „Bremen“, bekannt durch die Freakwave die ihr im Südatlantik auf die Brücke stieg, an uns vorbei. Die Bremen freute sich genauso wie wir, soweit im Norden ein deutsches Schiff zu treffen. Sie startete am 31.05 ebenfalls von Hamburg und folgte unserer Route durch die Fjorde nach Tromsö und über die Bäreninsel hier nach Spitzbergen. Im Gespräch stellte sich heraus das auch Sie ihr Vorhaben, den Hornsund anzulaufen, wegen des starken Eisganges aufgeben musste. Ausser der Bremen ist wohl nur noch ein russischer Eisbrecher mit Chartergästen hier unterwegs. Allerdings sagte uns der Kapitän der Bremen, wimmele es im Sommer hier nur so von Kreuzfahrern. Wir waren auch sehr erfreut über das Angebot uns mit Proviant oder Ersatzteilen zu versorgen. Wenn die Bremen in vier Tagen wieder nach Süden läuft werden wir gerne nochmal auf das Angebot mit dem heimatlichen Bier zurückkommen.
Jetzt brechen wir erst mal zu einer Zodiaktour zum Esmarkbreen (Breen = Gletscher) auf, der schon verführerisch in der Sonne glänzt und nur auf uns zu warten scheint.
Leider kommen wir nicht bis zur Abbruchkante, bis ungefähr eine Meile vor der Wand ist noch festes Eis. In Eiskarten und Icereports wird dieses Eis als „fast ice“ bezeichnet. Nicht weil es so plötzlich gefriert, nein aber es ermöglicht wegen seiner glatten Oberfläche doch ein schnelles Fortbewegen auf ihm. Packeis dagegen besteht aus vielen, ohne klettern unüberwindbaren, wirr übereinandergetürmten Eisschollen. Man stelle sich einen frischgepflügten Acker vor mit Furchen die ein bis drei, manchmal fünf Meter tief sind. Aber die Furchen verlaufen nicht so schön parallel wie auf dem Acker, sondern kreuz und quer. Nur wer das gesehen hat, kann die unmenschliche Leistung derer ermessen, die zum Nordpol gelaufen sind.
Unser „fast ice“ sichert uns andererseits einen sicheren Ankerplatz, da die vom Gletscher abbrechenden Eisberge nicht auf drift gehen sondern darin feststecken. Ausserdem bügelt es die gefährlichen Flutwellen, die so ein herabstürzender Eisbrocken erzeugen kann, glatt. Sonst bestünde die Gefahr, dass uns die, auf dem flachen Ankergrund brechenden Wellen, überrollen.
Wir runden unsere Fahrt mit einem kleinen Spaziergang auf einer der Moränen ab. Dabei versinken wir manchmal bis zur Brust im Schnee. So muss es am Ende der Eiszeit auch in Deutschland ausgesehen haben.

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