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27.06. Lézardrieux-Ploucrescant

Jogi: Am nächsten Mittag verlassen wir mit dem letzten Ebbstrom Lézardrieux und fahren wieder durch die schöne Ria (durch einen Fluss entstandene Fjordartige Einbuchtung). Da wir wenig Strecke vor uns haben, verzichten wir auf Segel. Das wäre bei den leichten Winden und den starken Gezeiten sowieso ein ungewisses Unterfangen. Wir biegen gleich Backbord in die nächste Bucht, welche bis Treguir schiffbar ist. Unser Ziel ist aber das direkt an der Küste liegende Plougrescant.

Ich verbrachte dort Ende der 80iger Jahre einige Wochen mit einem zum Wohnmobil ausgebauten Möbelwagen. Die eine Hälfte der Zeit verbrachte ich an der Küste oder segelnd mit der Marie Georgette einem Alten Fischerboot, mit dem Pascal Touristen zum „Peche en Mer“ (Fischen auf dem Meer) spazieren fuhr, während Simone und ich allen an Bord nahe brachten, wie ethisch unvertretbar und grausam doch das töten von Tieren und in diesem besonderen Fall Fischen sei. Sozusagen Fischfang und Protestveranstaltung in einem. –  Alles an Bord eines 9 – 10 Meter Segelkutters, eine Szene die gut in dem Dorf von Asterix und Obelix spielen könnte, wobei ich schon damals der festen Überzeugung war, dass genau jenes Plougrescant der Ort sein muss, der aus dem „kleinen uns wohlbekannten gallischen Dorf“ hervorging. Didier, der beste Freund von Pascal und immer an seiner Seite, glich Obelix wie ein Ei dem Anderen. Und meine Freundin Simone entfaltete auf die männliche Bevölkerung dieselbe Wirkung wie Falbala im Gallischen Dorf. Jedenfalls scheinen unsere Proteste keine allzu nachhaltige Wirkung gehabt zu haben, die Plakate von „Pech en Mer“ mit der Marie Georgette hängen auch heute noch in der Region.

Die zweite Hälfte des Tages verbrachten wir damals im legendären Cafe „Ar Vag“, in dem Pascal abends nach dem Fischen bediente und in dem ich die Gallier in den neuesten Drink der Ostgoten eingeweiht habe, den von mir sogenannten „Kalaschnikow“. Den richtigen Namen hatte ich nach einer Stunde bereits wieder vergessen, nachdem mir ein Russe in Berlin die Vorzüge dieses Getränkts in einem Workshop oder besser Drinkshop praktisch erörtert hatte. Das Rezept ist einfach. Man nehme ein Glas, schenke dies Randvoll mit Wodka, lege eine halbe Zitronenscheibe darauf die man je zur Hälfte mit gehäuft Kaffeepulver und Zucker bestreut. Genossen wird das Getränk, indem man die Zitrone mit Kaffee und Zucker von der Schale abbeißt und alles am Stück mit dem Wodka runterspült. Im Laufe des Abends verzichtet man dann auf das lästige Abbeißen und schluckt alles zusammen am Stück runter. Um weiteren Problemen vorzubeugen, sollten die Gläser nicht so so klein gewählt werden, dass man sie aus versehen, zum Beispiel falls man die Hände verwechselt oder so, verschlucken könnte. Die Mischung von Zucker, Kaffeepulver, Zitrone und Alkohol lässt weichere Drogen wie Ecstasy oder Koks sowie alle Dopingmittel verblassen! Man kann das Zeug stundenlang trinken ohne sich darüber klar zu werden, ob man mehr aufgeputscht oder mehr besoffen ist und entwickelt dabei ungeahnte Kräfte. Ich bin ziemlich überzeugt, dass Miraculix etwas sehr ähnliches in seinem Kessel zusammengebraut hat, vielleicht mit etwas mehr Mistel. Jedenfalls waren die Wodkavorräte im „Ar Vag“ und bei sämtlichen Spirituosengroßhändlern in der Region recht schnell erschöpft und nach gefühlt einer Woche habe ich einen ganzen Abend damit verbracht, dem völlig verzweifelten Wirt Gill klar zumachen, dass man das Rezept ohne Namensänderung und mit nur geringer Abweichung der Wirkung auch mit Gin und Whisky zubereiten könne…zumindest solange bis der Nachschub an Wodka geregelt war. Jedenfalls endete fast jeder Abend in einem rauschenden Fest und ab und zu gab es auch Livemusik dazu. Ich erinnere mich noch an eine irische Band die den Laden fast aus den Angeln hob, wobei alle vier Jungs zusammen mit ihrer Rothaarigen Sängerin ungefähr so viel Zähne hatten das es fast ein komplettes Gebiss ergeben hätte. Wäre der namenlose Russe von dem ich das Rezept dieses magische Getränk hatte, das auch irgendwie ganz anders hieß, dort aufgetaucht, man hätte ihm sicher ein Denkmal in einen Hinkelstein gemeißelt und diesen direkt vor dem Ar Vag platziert.

Wir werfen unseren Anker in der geschützten Ria vor Plougrescant und wollen heute Abend an den Ort meines damaligen Wirkens gehen. Jules und Ulla werden zuerst ausgebootet und ich schicke sie mit dem Hinweis “ immer Richtung Kirche laufen, dort ist das Ar Vag und nebenan die Creperie“ auf den Weg. Es folgen Christian und Jenny und die Einräder und zum Schluss Elke, Benno die Hunde und ich. Wir tragen das Schlauchboot bis zur Hochwassermarke. Es ist zwar schon zwei Meter nach Niedrigwasser, dennoch müssen wir noch acht Höhenmeter steil den Slip hoch. Da Jenny im Christian auf uns gewartet haben ist das zu fünft aber nicht so schwer. Vorbei an unzähligen Hortensien in allen erdenklichen Farben laufen wir die ca. zwei Kilometer vorbei an der alten Kirche Saint-Gonéry mit einem Kirchturm so schief das der Schiefe Turm von Pisa blass vor Neid wird zum Ar Vag. Die Creperie hat leider zu aber im Ar Vag gibt es auch ein paar Leckereien zu Essen. Von Jules und Ulla keine Spur. Nachdem wir die Beiden endlich über Handy erreichen erklärt und Jules das sie jetzt gefühlte zehn Kilometer gelaufen sind keine Ahnung haben wo sie sind keinen Kirchturm sehen und jetzt zurückgehen. 🙁  Wir essen lecker Salat,  Jenny und Christian die bretonische Spezialität Muscheln. Anschließend gehe ich mit Elke noch für einen Cidre an die Bar. Gill und Pascal sind nicht da aber wir kommen mit einem typischen Bretonen ins Gespräch. Natürlich kennt er Pascal, er sein sein Cousin. Wir reden viel, also eigentlich redet er viel und wir verstehen sogar ab und zu ein wenig. Er ist Lehrer für Mathe und hat mit seiner Nichte einen schönes schwarz weiß Fotoalbum von der St Ives Kathedrale in Treguir gemacht was er und ausführlich präsentiert während der Wirt ununterbrochen mit dem Augen rollt weil er die Geschichte wohl jeden Abend hört. Ich Frage nochmal ob er wirklich ein Cousin von Pascal ist und er versucht sich zu erinnern “ ja also meine Großmutter war mit seinem Großvater zusammen in der Grundschule…ja also, ja ja,“ jetzt sichtlich Stolz und Überzeugt, „doch man kann sagen er ist mein Cousin!“.

Wir hätten den Abend gerne dort verbracht aber Jules und Ulla sitzen hungrig am Strand und hoffen das wir bald kommen während die Mücken hoffen das wir noch lange brauchen. Auf dem Rückweg entpuppt sich Christian als ausgezeichneter Stratege indem er eine Flasche Wein aus dem Rucksack zaubert die den Rückweg deutlich verkürzt. Jules und Ulla sind froh uns kommen zu sehen und werden als erstes an Bord gebracht um endlich auch etwas in den Magen zu bekommen.  So endet unser Abend in Plougrescant.