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was danach geschah

15.06.17, Donnerstag, Cherbourg

Elke: Es ist kurz vor 6 Uhr. Ich stehe mit meinem Kaffee an Deck und beobachte etwas wehmütig die auslaufenden Boote. So ziehen sie dahin. Eines nach dem anderen verlässt im Schein der aufgehenden Sonne den Hafen. Wir müssen leider bleiben. Wir wollten heute schon weiterziehen, an den Channel Islands vorbei Richtung Bretagne. Christian und Jenny warten ab Morgen dort auf uns. Aber nein, die Maschine wollte nicht so recht. Sie sprang mit Mühe an, drehte sofort auf volle Touren, um danach langsam zu ersterben. Gleiches wiederholte sich bei allen weiteren Startversuchen. Kein Diesel? Filter zu? Einspritzdüse? Unsere Topmechaniker Benno und Jogi machten sich gleich an die Arbeit, um der Ursache auf den Grund zu gehen. In den nächsten Stunden folgten diverse Startversuche mit gleichem Ergebnis. Unsere Maja verließ wegen des anhaltenden Lärms lieber das Boot. Vielleicht war es beim Nachbarn auf einem kleinen Trimaran mit Bordhund besser auszuhalten? Der war leicht entrüstet, als Maja anheuerte und wie selbstverständlich an Bord kletterte. Schließlich musste sie dann doch mit dem Schwimmsteg in einiger Entfernung zu unserer Tordas-Reparaturwerksatt vorlieb nehmen. Die Zeit verstrich, aber zu später Stunde kündigte sich Erfolg in der Sache an und nach erfolgreichem Testlauf der Maschine gab es Grund zur Hoffnung. Für uns alle gab es die in der Zwischenzeit zubereiteten ersten Artischocken. Belohnung für arbeitsreiche Stunden.

Jogi: Na toll. Gestern lief die Maschine noch wie ein Uhrwerk und heute morgen das! Nachdem Benno und ich den Regelmechanismus der Einspritzpumpe zerlegt haben, fanden wir auch den Fehler: die Regelstange ist fest. Jedenfalls so fest, dass der Regler sie nicht mehr bewegen kann. Ich versuche sie mit Kriechöl wieder gängig zu machen, was auch irgendwann von Erfolg gekrönt ist. Vermutlich machten Ablagerungen den Mechanismus nach dem Abkühlen der Maschine schwergängig. Jetzt schnell alles wieder zusammenbauen, noch ein kurzer Probelauf und alles scheint wieder in Ordnung zu sein.

Freitag 16.06 Cherbourg

Elke: Heute morgen 5:30 Uhr dann beim Ablegen erscheinen bei der gesamten Crew erneut Sorgenfalten. Der Scania D8 erzeugt statt leichten Abgasen gewaltige Rußwolken. „Das ist ganz normal, der hat ja gestern etwas viel Diesel gesehen, das geht vorbei“ so die Worte unserer Motorenspezialisten. Wir fahren vorsichtshalber eine Hafenrunde, um zu sehen, ob sich die Wolke auflöst und alles in Ordnung kommt. Und das ist auch gut so, denn es kommt nichts in Ordnung. Die Rußfahne bleibt und deutlich zu hören ist auch, dass die Maschine unrund läuft und holpert. Was hilfts, wir kehren um, machen fest und setzen eine erneute Reparatur an. Als Allererstes aber steht Ausschlafen auf dem Programm. Und damit verbunden die Hoffnung, dass die leichte Verzweiflung, der Urlaub könnte in Cherbourg enden, dann verfliegt und dem Ehrgeiz weicht, unseren Scania wieder flott zu machen.

Jogi: Frust! Die Maschine klingt als ob ein Zylinder Vollgas gibt und die anderen auf Standgas laufen. Anhand der Vibrationen tippe ich auf einen der Mittleren. Wir machen einen kurzen Probelauf, ich löse die Einspritzleitung des dritten Zylinders….keine Veränderung… der vierte…aha jetzt läuft sie gut – zwar nur auf fünf Zylindern aber so ruhig, dass man den fehlenden Zylinder gar nicht bemerkt. Da ist etwas im Argen. Der vierte Zylinder bekommt viel zu viel  Sprit.  Erst mal ausschlafen -. Aufgrund der Gezeiten kommen wir nicht vor morgen früh weiter, da wir die Races of  Alderney nicht bei Nacht passieren wollen. Und nach dem Frühstück gehts wieder an die Maschine. Einspritzpumpe ausbauen, zerlegen und Fehler suchen. Ich baue also die Einspritzpumpe aus während Benno schon Typenschilder abfotografiert hat und im Netz nach Teilen und Pumpen sucht. Die Ursache wird dann schnell klar, der vierte Kolben der Einspritzpumpe hängt nicht mehr an der Regelstange. Vermutlich hat sich die Verbindung gestern beim gängig machen gelöst, was immer die genaue Ursache ist, wir beschließen eine neue Pumpe zu besorgen. Benno hat schon zwei Pumpen in den Niederlanden gefunden und wir schicken gleich Anfragen per Mail raus. Jetzt ist es Freitag Nachmittag und vor Montag wird jetzt nichts mehr passieren.

Am Sonntagabend kommen Jenny und Christian nach einem langen Tag in öffentlichen Verkehrsmitteln in Cherbourg an. Wir holen sie am Bahnhof ab und freuen uns die Beiden an Bord willkommen zu heißen. Tolle Crew!

Am Montag wassern wir das Schlauchboot und Jenny kutschiert Benno und Christian zur Mole, die die Reede einfasst. Sie findet es toll nach den Übungsfahrten zum Sportbootführerschein endlich mal richtig Gas geben zu dürfen 🙂 . Wir fahren nachmittags mit den Hunden an den Strand zum Baden.

22.06., Donnerstag

Was inzwischen geschah? Nichts.

Elke: Stimmt nicht ganz. Die genauere Analyse des Defekts hat ergeben, dass die Regelung des vierten Kolbens der Einspritzpumpe hinüber ist. Das heißt: die Einspritzpumpe muss ausgetauscht werden. Am Samstag und Sonntag waren wir also mit der Händlersuche und dem Einholen von Angeboten beschäftigt. Froh waren wir, dass überhaupt solche Pumpen im Netz zu finden waren. Montag haben wir dann noch den hiesigen Bootshändler aufgesucht. Später folgte dann leider die Ernüchterung: nach deren gründlicher und wirklich hilfsbereiter Recherche teilten sie uns mit, dass Scania Cherbourg keine Pumpe liefern kann. Also haben wir bei einem Händler im Internet, der auf unsere Anfrage hin ein wirklich gutes Angebot gemacht hat, bestellt. Seither warten wir auf ein Paket……………. Und das ist mitunter eine ordentliche Geduldsprobe. Mittlerweile haben wir eine Transaktionsnummer zur Sendungsnachverfolgung. Allerdings verliert sich die Spur in Utrecht. Da sitzen wir nun, erkunden die Umgebung und basteln an anderen Dingen, um uns abzulenken. Unsere Mitsegler*innen tragen es mit Fassung.

Aber gibt es schöne Ablenkung. Gestern fand hier die Fête de la Musique statt. Ganz Cherbourg, ach was sag ich, ganz Contentan, war auf den Beinen. Life Bands spielten vor fast jeder Kneipe, eine Samba Trommelgruppe mischte ganze Straßenzüge auf und die Technohütte mit ihrem eindringlichen WumWum bespielte den Hafen. Unser Favorit war eine Band, bestehend aus Männern und einer Frau um die 70-80 Jahre alt. Sie spielten die Klassiker der Rockgeschichte mit Bravour rauf und runter. Jogi war dort fast nicht mehr loszueisen.  (Ergänzung Jogi: Elke hat mich irgendwann weggezogen und am nächsten morgen berichteten dann Jenny und Christian das die Band noch ein „ziemlich episches Hey Joe“ mit einem „ewigen Guitarrensolo“ gespielt hat. Grrrrr! ).

Gut, dass es hier viel zu entdecken gibt. Die Geschichte der Stadt zum Beispiel, auf die ich ja noch zurückkommen wollte. Auf einer Anhöhe fanden wir die Batterie de Roule vor. Ein Höhlensystem mit Geschützeinrichtungen, das in den Berg im Süden der Stadt angelegt worden war, um die strategisch wichtige Stadt mit ihrem Gezeitenunabhängigen Hafen zu schützen. Jogi zog es vor draussen mit den Hunden zu warten. Wir anderen ließen uns durch die Gänge führen…

Unser Guide, ein Mann mit strengen Gesichtszügen und einem frenglisch vom Feinsten, führte uns gut ausgerüstet mit Helm und Helmlampe hinein ins 12 °C kalte Dunkel. Ein Höhlensystem mit Geschützstellungen Richtung Hafen und Küstenmeer eröffnet uns eine Idee von der Wehrhaftigkeit gegenüber Eindringlingen und deutschen Militärs, die diese Anlage während de 2ten Weltkrieges genutzt haben. In Seitengängen befanden sich Holzhütten mit Versorgung, Aufenthaltsräumen, Hospital und Führungsbüro. D-Day oder J-Jour auf französisch wird hier der Tag zur Befreiung Frankreichs durch die Alliierten genannt. 2,7 Mio Soldaten waren dafür rekrutiert worden und knapp 7.000 Schiffe befanden sich im Einsatz, um die Nazis niederzuschlagen. Machen wir uns bewusst, dass wir derzeit in einer sehr glücklichen Phase leben, die leider zunehmend von Aggression und Intoleranz durchdrungen wird. Es ist wohl soweit, wieder für ein friedliches Miteinander zu demonstrieren. Wir, die wir teilen können, unvoreingenommen sind und für die Freundschaft wichtiger ist als Macht, haben es in Hand.

  1. Juni, Freitag

Endlich ist sie da, die Pumpe! Nachdem Jogi schon vermutete, dass die netten Hafenmeister*innen unser Paket verbummelt haben, – wir sitzen in der Aufenthaltsecke und bloggen gerade -, kommt ein Transporter vorgefahren, trägt etwas Großes, Schweres ins Büro. Der Paketbote kommt gar nicht erst dazu, es über den Tresen zu reichen. Jogi sprintet gleich hin und nimmt ihm das Paket  direkt ab. Mit breitem Grinsen trägt er das gute Stück, wie eine Trophäe, zum Schiff. Klar, was nun kam. Da verschwanden die Jungs im Bauch der Tordas und waren nicht mehr gesehen….
Und, unglaublich aber wahr, ausgepackt, eingebaut, fertig. Alles gut eingestellt und der Probelauf war eine Wohltat fürs Ohr, klar kommt das Abgas aus dem Auspuff 🙂